Einladung…

Einladung…zum still werden.

Diesen Stuhl fand ich vor Monaten auf dem Sperrmüll in der Nachbarschaft. Ich fragte an, ob ich ihn haben dürfe und der Besitzer freute sich sehr, ihn in meinem Besitz zu wissen. Es war der Lieblingsstuhl seiner Mutter und es tat ihm weh, ihn im Müllschlucker verschwinden zu sehen. Seine Frau wollte ihn aber unbedingt entsorgen. So landete er schließlich in meinem kleinen Atelier und mit zwei Tuben von einem schrillen Gelb, versehen mit einem Kissen aus alten Filz- und Seidenresten, lädt er mich ein zum „Hinsetzen“ und still werden. Zum Hinschauen und Verweilen. Die letzten Tage waren angefüllt mit Begegnungen und Aktivitäten, die mich beschäftigen und mir auch ein wenig die Nachtruhe rauben.

Wie die zwölf Apostel saßen wir zwei Tage zusammen. Wir, das sind zwölf Freunde, die gerade ein Netzwerk aufbauen, das uns in einen neuen, vielleicht letzten, Lebensabschnitt, tragen soll. Unter Anleitung einer Mediatorin erarbeiteten wir Visionen, wie wir gemeinsam die Aufgabe des alt werden bewältigen und lebendig gestalten wollen. Ein großes Thema also, das auch ein wenig Mut erfordert. Den Mut genau hinzuschauen auf eine Lebensphase, die nicht nur Sonnenseiten kennt.

Vielleicht berichte ich, wie das Projekt sich entwickelt. Noch summt es in meinem Kopf wie in einem Bienenkorb. Ich werde mich heute ganz still auf meinen gelben Stuhl setzen, werde an die alte Dame denken, aus deren Besitz er stammt und ein wenig träumen. Den Luxus gönne ich mir.

12 Gedanken zu “Einladung…

  1. Guten Morgen, liebe Marie, diesen Stuhl hätte ich auch sofort genommen, nur hätte ich für ihn wohl eine andere Farbe gewählt, aber nun …
    Das Projekt tönt nicht nur spannend, sondern auch klug, ich freue mich, wenn du Beizeiten mehr berichtest!
    Herzliche Grüße
    Ulli

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  2. Ja, ich gebe zu, die Farbe ist ganz schön schrill und auch ungewöhnlich für mich, aber mir war danach. Auch ein wenig in Anlehnung an Van Gogh. Ja, das Projekt geistert schon länger in unseren Köpfen. Wir Freunde wohnen alle im Umkreis von etwa 5 km. Weiter soll der Radius sich auch nicht bewegen. Es gibt so viele Negativbeispiele, wo es auf Vereinsamung und Isolation im Alter hinausläuft, dem wollen wir etwas entgegensetzen. Das Thema lässt sich nicht verdrängen. Wir versuchen aber auch, die Schwere herauszunehmen. Ich werde weiter darüber berichten und wünsche dir einen unbeschwerten Tag. Herzlichst, Marie

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  3. Diesen Stuhl hätt ich auch nicht stehen gelassen, und ich halt es mit Ulli: auf diese Farbe wäre ich vermutlich nicht gekommen. Manchmal jedoch packt es einen, und dann muss es schrill sein. Ich hab meine Gartenbank z.B. pink-türkis gestrichen, obwohl ich pink selten mag. Ich stand jedoch zu diesem Zeitpunkt so unter griechischem Urlaubseinfluss, da lag nichts näher, und mein Blick freut sich nun jeden Tag daran.
    Das Projekt klingt toll. Berichte bitte weiter davon, sicher ist es nachahmenswert.
    Liebe Grüße zum Tag, Birgit

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  4. Liebe Marie, dein Stuhl ist schön solide gebaut und mit seinem jugendlichen Anstrich und seinem Filz-Seide-Kissen ein Hingucker. So möge denn auch eure Initiative auf soliden Füßen stehen und zugleich leicht und luftig daherkommen.Sei von Herzen gegrüßt !

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  5. Ein feiner Stilleplatz!
    Möge nach dem Mut etwas entstanden sein, dass allen Beteiligten gut tut!
    Manchmal ist ein Vorhaben so spannend, dass man den Mut gar nicht mehr als solchen empfindet und nur noch kreativ wirkt.

    Beste Wünsche,
    Syntaxia

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    1. Ich glaube, das solche Projekte Zukunft haben. Wenn wir nicht in Altersheimen verkümmern wollen, müssen wir uns rechtzeitig um Alternativen kümmern. Mal schauen, was wir da auf die Beine stellen. Danke für deinen Zuspruch. Marie

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  6. Ein wunderbarer, alter Stuhl, verarbeitet wohl ohne nur einen einzigen Nagel. Der mittlere bunte Streifen der Sitzbedeckung sieht aus wie eines meiner Halstücher.
    Das Projekt gegen die Vereinsamung ist vorbildlich. (Einer sagte mal, dass die Vereinsamung durch die zunehmende Verameisung der Menschen käme…)
    Gruß von Sonja

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    1. Das gefällt mir liebe Sonja, Verameisung. Obwohl…. die Ameisen sind uns ganz gewiss in Sachen Zusammenhalt und Sozialverhalten, voraus. Da können wir Menschleins getrost etwas abgucken. Der Mittelstreifen des Kissens ist ein Überbleibsel einer Seidenhose, die ich mir vor ca. Dreißig Jahren mal genäht habe. Ich kann mich manchmal von alten Stofffetzen nicht trennen. Liebe Grüße, Marie

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